Nachprüfungsfristen bei Ausschreibungen

On 2. November 2012, in Vergaberecht, by Dr. Michael Breitenfeld / Mag. Robert Ertl

In diesem Artikel finden Sie die wichtigsten Nachprüfungsfristen für die unterschiedlichen Vergabeverfahren. Sie können die Checkliste auch bequem als pdf-Datei downloaden bzw. ausdrucken: Checkliste Nachprüfungsfristen

 

Gesondert anfechtbare Entscheidungen

 

Das BVergG 2006 differenziert zwischen gesondert und nicht gesondert anfechtbaren Entscheidungen. Entscheidungen die in § 2 Z 16 lit a BVergG 2006 nicht ausdrücklich genannt sind, können nur gemeinsam mit der zeitlich nächstfolgenden gesondert anfechtbaren Entscheidung bekämpft werden. § 2 Z 16 lit a BVergG 2006 lautet wie folgt:

„Gesondert anfechtbar sind folgende, nach außen in Erscheinung tretende Entscheidungen:

aa) im offenen Verfahren: die Ausschreibung; sonstige Festlegungen während der Angebotsfrist; das Ausscheiden eines Angebotes; die Widerrufsentscheidung; die Zuschlagsentscheidung;

bb) im nicht offenen Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung bzw. nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb: die Ausschreibung (Aufforderung zur Abgabe eines Teilnahmeantrages); die Nicht-Zulassung zur Teilnahme; die Aufforderung zur Angebotsabgabe; sonstige Festlegungen während der Angebotsfrist; das Ausscheiden eines Angebotes; die Widerrufsentscheidung; die Zuschlagsentscheidung;

cc) im nicht offenen Verfahren ohne vorherige Bekanntmachung bzw. ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb: die Aufforderung zur Angebotsabgabe; sonstige Festlegungen während der Angebotsfrist; das Ausscheiden eines Angebotes; die Widerrufsentscheidung; die Zuschlagsentscheidung;

dd) im Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung bzw. nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb: die Ausschreibung (Aufforderung zur Abgabe eines Teilnahmeantrages); die Nicht-Zulassung zur Teilnahme; die Aufforderung zur Angebotsabgabe; sonstige Festlegungen während der Verhandlungsphase bzw. während der Angebotsfrist; das Ausscheiden ei-nes Angebotes; die Widerrufsentscheidung; die Zuschlagsentscheidung;

ee) im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung bzw. ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb: die Aufforderung zur Angebotsabgabe; sonstige Festlegungen während der Verhandlungsphase bzw. während der Angebotsfrist; das Ausscheiden eines Angebotes; die Widerrufsentscheidung; die Zuschlagsentscheidung;

ff) im offenen Wettbewerb: die Ausschreibung; die Widerrufsentscheidung; die Entscheidung über die Zuweisung des Preisgeldes bzw. der Zahlungen oder die Nicht-Zulassung zur Teilnahme am anschließenden Verhandlungsverfahren;

gg) im nicht offenen Wettbewerb: die Ausschreibung; die Nicht-Zulassung zur Teilnahme; die Widerrufsentscheidung; die Entscheidung über die Zuweisung des Preisgeldes bzw. der Zahlungen oder die Nicht-Zulassung zur Teilnahme am anschließenden Verhandlungsverfahren;

hh) im geladenen Wettbewerb: die Wettbewerbsunterlagen; die Widerrufsentscheidung; die Entscheidung über die Zuweisung des Preisgeldes bzw. der Zahlungen oder die Nicht-Zulassung zur Teilnahme am anschließenden Verhandlungsverfahren;

ii) bei der Rahmenvereinbarung gemäß § 25 Abs. 7: hinsichtlich des zum Abschluss der Rahmenvereinbarung führenden Verfahrens die gesondert anfechtbaren Entscheidungen gemäß sublit. aa), bb), dd) oder ee) mit Ausnahme der Zuschlagsentscheidung; die Entscheidung, mit welchem Unternehmer bzw. mit welchen Unternehmern die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll; bei einer Rahmenvereinbarung, die mit mehreren Unternehmern abgeschlossen wurde, der erneute Aufruf zum Wettbewerb; das Ausscheiden eines Angebotes; die Widerrufsentscheidung; die Zuschlagsentscheidung;

jj) bei der Rahmenvereinbarung gemäß § 192 Abs. 7: hinsichtlich des zum Abschluss der Rahmenvereinbarung führenden Verfahrens die gesondert anfechtbaren Entscheidungen gemäß sublit. aa) bis ee) oder nn) mit Ausnahme der Zuschlagsentscheidung; Entscheidung, mit welchem Unter-nehmer bzw. mit welchen Unternehmern die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll; die Widerrufsentscheidung; die Zuschlagsentscheidung;

kk) bei dynamischen Beschaffungssystemen: hinsichtlich des zum Abschluss des dynamischen Beschaffungssystems führenden Verfahrens die gesondert anfechtbaren Entscheidungen gemäß sublit. aa) mit Ausnahme der Zuschlagsentscheidung; die Nicht-Zulassung zur Teilnahme; die gesonderte Aufforderung zur Angebotsabgabe; das Ausscheiden eines Angebotes; die Widerrufsentscheidung; die Zuschlagsentscheidung;

ll) beim wettbewerblichen Dialog: die Ausschreibung; die Nicht-Zulassung zur Teilnahme; die Aufforderung zur Teilnahme; die Nichtberücksichtigung einer Lösung in der Dialogphase; den Abschluss der Dialogphase; die Aufforderung zur Angebotsabgabe, das Ausscheiden eines Angebotes; die Widerrufsentscheidung; die Zuschlagsentscheidung;

mm) im Prüfsystem: die Ausschreibung; die Ablehnung des Antrages auf Aufnahme in das Prüfsystem; die Mitteilung über die beabsichtigte Aberkennung der Qualifikation;

nn) bei der Direktvergabe: die Wahl des Vergabeverfahrens;

oo) bei der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung bzw. nach vorherigem Aufruf zum Wettbewerb: die Wahl des Vergabeverfahrens; die Bekanntmachung.“

Präklusionsfristen

 

Die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages macht das BVergG 2006 weiters von der Einhaltung bestimmter Fristen, den sogenannten Präklusionsfristen, abhängig. In § 321 BVergG 2006 ist geregelt, welche (gesondert anfechtbaren) Entscheidungen innerhalb welcher Fristen bekämpft werden müssen.

Die Versäumung der Frist führt zur endgültigen Präklusion, die betreffende gesondert anfechtbare Entscheidung (und die ihr vorangehenden nicht gesondert anfechtbaren Entscheidungen) können in weiterer Folge nicht mehr angefochten werden.

 

Fristentabelle

 

Tabelle 1: Nachprüfungsfristen
Offenes VerfahrenVerhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung
Aufforderung zur Abgabe eines Teilnahmeantrages---10 Tage (bzw. 7 Tage im Unterschwellenbereich) ab Absendung bei Übermittlung der Entscheidung auf elektronischem Weg oder mittels Telefax
Nicht-Zulassung zur Teilnahme---10 Tage (bzw. 7 Tage im Unterschwellenbereich) ab Absendung bei Übermittlung der Entscheidung auf elektronischem Weg oder mittels Telefax
Aufforderung zur Angebotsabgabe / Ausschreibungsbestimmungen7 Tage vor Ende der Angebotsfrist, sofern diese Frist mehr als 17 Tage beträgt, sonst 10 Tage (bzw. 7 Tage im Unterschwellenbereich) ab Absendung bei Übermittlung der Entscheidung auf elektronischem Weg oder mittels Telefax7 Tage vor Ende der Angebotsfrist, sofern diese Frist mehr als 17 Tage beträgt, sonst 10 Tage (bzw. 7 Tage im Unterschwellenbereich) ab Absendung bei Übermittlung der Entscheidung auf elektronischem Weg oder mittels Telefax
sonstige Festlegungen während der Verhandlungsphase bzw. während der Angebotsfrist10 Tage (bzw. 7 Tage im Unterschwellenbereich) ab Absendung bei Übermittlung der Entscheidung auf elektronischem Weg oder mittels Telefax10 Tage (bzw. 7 Tage im Unterschwellenbereich) ab Absendung bei Übermittlung der Entscheidung auf elektronischem Weg oder mittels Telefax
Ausscheiden10 Tage (bzw. 7 Tage im Unterschwellenbereich) ab Absendung bei Übermittlung der Entscheidung auf elektronischem Weg oder mittels Telefax10 Tage (bzw. 7 Tage im Unterschwellenbereich) ab Absendung bei Übermittlung der Entscheidung auf elektronischem Weg oder mittels Telefax
Widerrufesentscheidung10 Tage (bzw. 7 Tage im Unterschwellenbereich) ab Absendung bei Übermittlung der Entscheidung auf elektronischem Weg oder mittels Telefax10 Tage (bzw. 7 Tage im Unterschwellenbereich) ab Absendung bei Übermittlung der Entscheidung auf elektronischem Weg oder mittels Telefax
Zuschlagsentscheidung10 Tage (bzw. 7 Tage im Unterschwellenbereich) ab Absendung bei Übermittlung der Entscheidung auf elektronischem Weg oder mittels Telefax10 Tage (bzw. 7 Tage im Unterschwellenbereich) ab Absendung bei Übermittlung der Entscheidung auf elektronischem Weg oder mittels Telefax

 

Tipp

 

Da die Nachprüfungsfristen äußerst kurz bemessen sind und Nachprüfungsanträge aufgrund des Formalismus der Verfahren zeitaufwendig sind, ist eine möglichst umgehende Einbindung der Rechtsabteilung bzw eines Rechtsbeistandes zu empfehlen.

[Anmerkung: die Kontaktdaten der Autoren finden Sie auf der Seite „Über uns„]

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Fehler in der Praxis auf Auftragnehmerseite: unbehebbare Mängel

On 9. Mai 2012, in Angebot erstellen, Vergaberecht, by Dr. Michael Breitenfeld / Mag. Robert Ertl

Im Folgenden lesen Sie Beispiele für Fehler des Bieters, die zum Ausscheiden seines Angebotes führen:

 

1. BVA 25.8.2004, 07N-75/04-22

 

Ist der Auftraggeber verpflichtet, die Eignung eines konkreten Subunternehmers im Hinblick auf einen konkreten Leistungsteil zu überprüfen, so muss der Subunternehmer spätestens zum Zeitpunkt Angebotseröffnung bereits namentlich feststehen.

 

2. BVA 11.4.2003, 12N-23/03-13

 

Da die Antragstellerin die Subunternehmerin Ö*** nicht angegeben hat, handelt es sich beim Angebot Antragstellerin um ein unvollständiges im Sinne des § 98 Z 8 BVergG. Nach der Rechtsprechung des VwGH ist ein solcher Mangel auch als unbehebbar zu qualifizieren, da der Auftraggeber die Eignung eines konkreten Subunternehmers spätestens zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung überprüfen muss (vgl. VwGH 29.5.2002, Zl. 2002/04/0023). Auch nach der Rechtsprechung der Vergabekontrollorgane ist ein solcher Mangel nicht verbesserungsfähig, da er den Inhalt des Angebotes selbst betrifft.

 

3. BVA 14.11.2003, 14N-104/03-10

 

In den Ausschreibungsunterlagen ist keine Regelung enthalten, die das Legen eines Alternativangebotes unabhängig von einem ausschreibungsgemäßen Angebot gestatten würde (vgl. auch § 69 Abs. 1 2. Satz BVergG 2002). Die von der Antragstellerin im Begleitschreiben zum Angebot abgegebenen, von den in den Ausschreibungsunterlagen vorgegebenen rechtlichen Vertragsbedingungen abweichenden Erklärungen hätten daher nur als Alternativangebot neben einem ausschreibungsgemäßen, somit neben einem nicht von den in den Ausschreibungsunterlagen vorgegebenen rechtlichen Vertragsbedingungen abweichenden Angebot, getroffen werden können. Ein solches ausschreibungskonformes Angebot liegt jedoch nicht vor. Durch die im Begleitschreiben enthaltenen Formulierungen hat die Antragstellerin vielmehr die rechtlichen Vertragsbedingungen der Ausschreibung nicht akzeptiert und damit ein ausschreibungswidriges Angebot iSd § 98 Z 8 BVergG 2002 abgegeben (vgl hiezu etwa bereits BVA vom 21.11.1997, N-33/97-7 und weiters die Entscheidung des BVA vom 21.11.1997, N-26/97-6 zu einem den Zahlungsbedingungen widersprechenden und damit ebenfalls als ausschreibungswidrig qualifizierten Angebot).

Der vorliegende Angebotsmangel stellt nach der von Aicher entwickelten und auch vom Verwaltungsgerichtshof herangezogenen Grundregel, wonach nur solche Mängel verbesserungsfähig sind, die nicht nach Angebotsöffnung zu einer Veränderung – im Sinne einer Verbesserung – der Wettbewerbsstellung des Mängel behebenden Bieters führen, einen unbehebbaren Mangel dar (vgl. Aicher, Wettbewerbsrechtliche und wettbewerbspolitische Überlegungen zur Regierungsvorlage eines Vergabegesetzes in Korinek/Rill, zur Reform des Vergaberechts (1985) 111).

Durch eine nachträgliche Abänderung des Angebotes eines Bieters durch Rücknahme von im Begleitschreiben zu einem Angebot abgegebenen, im Widerspruch zu den Ausschreibungsbestimmungen stehenden Erklärungen, würde die Ausschreibungswidrigkeit des Angebotes beseitigt werden.

Darin läge eine wettbewerbs- und gleichbehandlungswidrige dem Verhandlungsverbot widersprechende nachträgliche Änderung im Sinne einer Verbesserung des Mängel behebenden Bieters. Ein objektiv den Ausschreibungsbestimmungen widersprechendes Angebot kann im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter keinesfalls durch nachträgliche Aufklärungen und Abänderungen, in denen ja keine Klarstellung, sondern im Hinblick auf den eindeutigen Gehalt der ursprünglichen Erklärung lediglich eine Abänderung möglich wäre, „verbessert“ werden (vgl. BVA 29.6.1999, N-25/99-16, N-28/99-4, BVA 19.1.1998, N-1/98, BVA 8.1.2002, N-107/01-23).

Vorsicht! Widersprüchliche Rechtsprechung:

VwGH 19.11.2008, 2004/04/0102

Unabhängig von der Bestandskraft ist darauf hinzuweisen, dass dann, wenn der Anbieter ein den Ausschreibungsbedingungen widersprechendes Angebot legen möchte, er dies klar zum Ausdruck bringen muss (vgl. in diesem Zusammenhang § 83 Abs 2 BVergG 2002). [L]egt [der Bieter] irrtümlich […] seine Bedingungen dem Angebot bei, so kann nicht daraus geschlossen werden, dass er damit ein den Ausschreibungsbedingungen widersprechendes Angebot legen wollte.

Aber:

BVA 22.3.2012, N/0021-BVA/13/2012-18

Das Vorbringen der Antragstellerin, es sei nur irrtümlich das falsche Briefpapier verwendet worden ist eine unglaubwürdige Schutzbehauptung, da ein Briefpapier mit denselben allgemeinen Geschäftsbedingungen auf der Rückseite bei allen og. drei Schreiben und auch dem Deckblatt zum Angebot verwendet worden ist und ein so oftmaliger Irrtum nicht glaubwürdig erscheint, sondern dies vielmehr darauf schließen lässt, dass die Antragstellerin grundsätzlich nur zu ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen kontrahieren will.

Zusammenfassend kann somit festgehalten werden, […] dass dem Angebot der Antragstellerin die auf der Rückseite der genannten Schreiben abgedruckten allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragstellerin zu Grunde zu legen sind.

Jede andere Entscheidung würde es einem Bieter ermöglichen, je nachdem ob er einen Irrtum betreffend die AGB behauptet oder nicht nach Belieben mit Verweis auf die sich widersprechenden Vertragsbedingungen die Bindung an sein Angebot bzw den Vertrag selbst zu steuern, was insbesondere unter dem Aspekt der erforderlichen Rechtssicherheit für den Auftraggeber abzulehnen ist.

 

4. BVA 2.7.1997, N-4/97-17

 

Nicht unterfertigte Angebote sind gemäß Pkt 4.5.8 der ÖNORM A 2050 auszuscheiden. Im Geltungsbereich des BVergG ist ein derartiges Angebot gemäß der entsprechenden Bestimmung des § 39 Abs 1 Z 8 BVergG auszuscheiden, da es sich um ein unvollständiges Angebot handelt, dessen Mangel nicht behebbar ist.

Für ein Variantenangebot gelten sämtliche das Angebot betreffende Bestimmungen des BVergG ein nicht unterfertigtes Variantenangebot ist daher zwingend auszuscheiden.

 

5. BVA 5.7.2000, N-36/00-8

 

Ist der Eintritt der Voraussetzungen angebotener Preisminderungen für den Auftraggeber zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung ungewiss, handelt es sich bei diesen Abminderungen um einen bedingten Preisnachlass. Durch einen solchen wird für den Auftraggeber nicht erkennbar, zu welchem Preis der Bieter die ausgeschriebene Leistung tatsächlich angeboten hat. Eine solche Unklarheit kann auch nicht im Rahmen eines Aufklärungsgespräches beseitigt werden, da auf diese Weise dem Bieter Gelegenheit zur nachträglichen Änderung des Angebotspreises geboten würde (vgl. § 51 Abs. 1 BVergG). Ein derartiges Angebot weist keinen bestimmten Preis auf und ist gem § 52 Abs 1 Z 8 BVergG auszuscheiden.

 

6. BVA 3.2.2012, N/0004-BVA/10/2012-38

 

Vorerst ist dazu festzuhalten, dass nach den allgemeinen Grundsätzen des Vergaberechts die Vergabe nur an befugte Bieter erfolgen darf. Die zur Durchführung des Auftrags erforderliche Befugnis ist anhand des Auftragsgegenstandes zu prüfen. Das Fehlen der Befugnis zum relevanten Zeitpunkt stellt einen unbehebbaren Mangel dar, der zum Ausscheiden des Angebotes führt (vgl VwGH 12.5.2011, 2008/04/0087).

 

Frühzeitige Inanspruchnahme von rechtlicher Beratung:
Als zweckmäßig hat sich erwiesen, bei allfälligen Fragen zu vergaberechtlichen Problemen frühzeitig rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen.

Fehler in der Praxis auf Auftragnehmerseite: behebbare Mängel

On 2. Mai 2012, in Angebot erstellen, Vergaberecht, by Dr. Michael Breitenfeld / Mag. Robert Ertl

Durch die Komplexität und Vielschichtigkeit der Vergaberechtsbestimmungen können sehr leicht Fehler entstehen. Für einen Bieter kann ein Fehler im Angebot zu einem Ausscheiden desselben und sohin zu einem Verlust eines erhofften bzw. manchmal sogar dringend benötigten Auftrages führen.

Festzuhalten ist, dass die Auflistung keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und insbesondere immer die aktuelle Rechtssprechung beachtet werden muss, da sich die hier zitierte Judikatur ändert.

 

Behebbare vs. unbehebbare Mängel

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 25.2.2004, 2003/04/0186-9 – unter Bezugnahme auf Aicher (in Korinek/Rill, Zur Reform des Vergaberechtes (1985), 363 f und 411 f) – sind Mängel als unbehebbar zu qualifizieren, die nach Angebotseröffnung zu einer Änderung der Wettbewerbsstellung der Bieter führen können. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH 12.5.2011, 2008/04/0087) präzisierte diese Rechtsprechung dahingehend, dass ein Mangel, welcher eine inhaltliche Änderung des Angebotes hinsichtlich eines Bereiches, der für die Bewertung der Angebote relevant ist, unbehebbar wäre.

Ein nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes behebbarer Mangel stellt daher keine (materielle) nachträgliche Änderung des Angebotes dar, vielmehr bleibt dieses materiell (seinem Inhalt nach) unverändert. Was unter behebbaren oder unbehebbaren Mangel zu verstehen ist, orientiert sich daran, ob eine Verbesserung nach Angebotseröffnung zu einer Änderung der Wettbewerbsstellung der Bieter führen könnte. Entscheidend ist somit, ob eine Verbesserung nach Angebotseröffnung die Wettbewerbsstellung des Bieters gegenüber seinem Mitbewerber materiell verbessern würde. Gravierende formale und inhaltliche Mängel in dem Angebot sowie unverbindliche Angebote sind sofort auszuscheiden (vgl. schon das hg. Erkenntnis vom 27. September 2000, Zl. 2000/04/0050).

Festzuhalten ist, dass es nicht im Ermessen des Auftraggebers liegt, einen unbehebbaren Mangel als behebbar zu behandeln und dem Bieter Gelegenheit zur Verbesserung zu geben.

Ebenso wenig steht es in der Disposition des Auftraggebers, durch Regelungen in den Ausschreibungsbedingungen, bestimmte Mängel in Angeboten gleichsam als unbehebbar zu qualifizieren. Fehlerhafte oder unvollständige Angebote sind nämlich nur dann auszuscheiden, wenn die Mängel nicht behoben wurden oder nicht behebbar sind. Es ist somit ein objektiver Maßstab bei der Prüfung des Vorliegens eines behebbaren bzw unbehebbaren Mangels anzulegen (BVA 25.8.2004, 16N-64/04-39).

 

Beispiele für Fehler des Bieters, die verbessert werden können:

 

1. BVA 30.6.2003, 14N-53/03-12

Der Verwaltungsgerichtshof spricht davon, dass sogar das Fehlen einer in den Ausschreibungsbedingungen geforderten firmenmäßigen Unterfertigung eines Angebotes einen verbesserungsfähigen Mangel bedeutet, sofern nur ein rechtsverbindliches Angebot vorliegt (vgl. VwGH 26.2.2003, 2001/04/0037). Dies muss auch für das Fehlen der gebotenen Unterfertigung des einem über Datenträgeraustausch einschließlich Kurz-LV eingereichten Angebot beizulegenden Lang-LV gelten.

2. BVA 17.9.1997, F-7/97-17

Das Fehlen eines Gesamtpreises ist ein verbesserbarer Mangel.

3. B-VKK 3.4.1997, S-19/97-12 / BVA 26.5.1997, N-7/97-12

Die Nichtabgabe in der Ausschreibung verlangter Kalkulationsblätter und eine nicht konkrete Spezifikation der zu verwendenden Produkte sind zwar als behebbare Mängel anzusehen.

4. BVA 20.3.2003, 12N-10/03-11

Die Nichtabgabe von Kalkulationsblättern ist als behebbarer Mangel zu qualifizieren, der grundsätzlich auch nicht vom Auftraggeber durch Festlegung in den Ausschreibungsbedingungen zu einem unbehebbaren Mangel umgedeutet werden kann.

5. BVA 1.10.1999, N-39/99-18

Ist die Qualität der angebotenen Erzeugnisse kein Zuschlagskriterium bzw ist sie, soweit für den Auftraggeber relevant, bereits durch die Spezifikation in der Ausschreibung festgelegt, hat die Angabe des Erzeugnisses, mit dem der Bieter den festgesetzten Ausschreibungsstandard erfüllen will, keinen Einfluss auf den Wert des Angebotes für den Auftraggeber und daher auch keinen Einfluss auf die Stellung des Bieters im Wettbewerb.

In diesem Fall ist daher das ursprüngliche Nichtausfüllen der Bieterlücke im Hinblick auf die Angabe des Erzeugnisses als behebbarer Mangel anzusehen. Bei der Aufforderung zur nachträglichen Mängelbehebung hat der Auftraggeber den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bieter einzuhalten, weshalb der Auftraggeber sämtliche für die Zuschlagserteilung in Betracht kommende Bieter bei der Mängelbehebung zum selben Zeitpunkt unter Setzung der gleichen Frist zur Mängelbehebung aufzufordern hat.

6. VwGH 24.2.2006, 2004/04/0078

Beim Fehlen des Nachweises einer im maßgeblichen Zeitpunkt bereits vorhandenen Befugnis handelt es sich um einen behebbaren Mangel.

7. VwGH 27.6.2007, 2005/04/0111

Das für die Bfin bereits verbindliche Angebot (das zulässigerweise gemäß § 94 Abs. 4 BVergG 2002 vom Auftraggeber berichtigt werden durfte) wäre durch die Nachreichung eines den Ausschreibungsbestimmungen entsprechenden Datenträgers nicht geändert worden, weswegen die Nachreichung für sich genommen zu keiner materiellen Verbesserung der Wettbewerbsstellung der Bfin geführt hätte (Hinweis E 29. Juni 2005, 2005/04/0024).

Beispiele für Fehler des Bieters, die zum Ausscheiden des Angebots führen, lesen Sie hier in Kürze.

 

“Im Dschungel der Eignungsnachweise” – Teil 3

On 11. April 2012, in Angebot erstellen, Vergaberecht, by Mag. Florian Schönthal-Guttmann

Ersatz für fehlende Eignungskriterien

 

Es wird vorkommen, dass Ihr Unternehmen die geforderten Eignungsnachweise nicht erfüllt. Ein Grund, die Ausschreibung abzuhaken? Mitnichten!

Während Nachweise zur Zuverlässigkeit (wie z.B. einschlägige Verurteilungen oder Zahlungsrückstände gegenüber dem Sozialversicherungsträger) von jedem Beteiligten der Ausschreibung erfüllt und nachgewiesen werden müssen, können andere Kriterien – insbesondere der Leistungsfähigkeit – durch Dritte ergänzt (substituiert) werden: „Fehlt“ dem Informationstechniker die Befugnis zur Vornahme von Trockenbauarbeiten, zieht er im Angebot oder in der Teilnahmeunterlage einen geeigneten und befugten Trockenbaumeister hinzu. Fehlen EUR 50.000,– zum geforderten durchschnittlichen Jahresumsatz, können diese mit dem Umsatz eines leistungsfähigen Kooperationspartners ergänzt werden. Der Auftraggeber muss die Umsätze dann addieren.

Tabelle III.1: Substituierung von Nachweisen
BereichRegelung BVergGKann Auftraggeber andere Nachweise verlangen?Darf der Bewerber substituieren?
Zuverlässigkeit§ 72 BVergGSehr eingeschränktNein
Befugnis§ 71 BVergGNeinJa
Finanzielle Leistungsfähigkeit§ 74 BVergGJaJa
Technische Leistungsfähigkeit§ 75 BVergGNein, er darf die vorgesehenen Kriterien aber konkretisierenJa

Einzige Voraussetzung: Der Bieter muss den Nachweis erbringen, dass ihm die für die Ausführung des Auftrages erforderlichen Mittel des / der anderen Unternehmen im erforderlichen Ausmaß auch tatsächlich zur Verfügung stehen. Üblicherweise sorgt der Auftraggeber schon in seiner Ausschreibungsunterlage dafür, dass Bieter dies – z.B. durch Vorlage einer unterfertigten Verfügbarkeiterklärung oder Beilage eines verbindlichen Angebots des betreffenden Unternehmens – mit dem Angebot nachweisen müssen. Macht er das nicht, ist es ratsam, dass der Bieter dies aus eigener Initiative vornimmt.

 

Muster Verfügbarkeitserklärung

< Name und Anschrift >
< Name zeichnungsberechtigter Vertreter >
< Kontaktangaben >

Betreff: Verfügbarkeitserklärung

Ich erkläre hiermit, dem Bieter < Name und Anschrift > im Rahmen der Ausschreibung < Name > im Fall der Beauftragung für die Laufzeit des Vertrages im angebotenen Ausmaß zur Verfügung zu stehen und dass die zum Nachweis der Eignung angegebenen Mittel und Ressourcen vorhanden sind.

Für den Fall der Substituierung der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit zusätzlich anzugeben:

Ich  verpflichte mich, für den Fall der Substituierung der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit des Bieters, die solidarische Haftung für jedwede finanzielle Ansprüche des Auftraggebers gegenüber dem Bieter als zukünftigem Auftragnehmer aus dem ggs. Auftrag zu übernehmen und in diesem Zusammenhang auf jegliche Einreden und Einwendungen zu verzichten.

Zum Zeichen meines (unseres) Einverständnisses zeichne(n) ich (wir) rechtsgültig wie folgt:

………………………………                …………………………………………………………………………
< Ort, Datum >                                  < Rechtsgültige Fertigung & Stampiglie >

 

Eignungsnachweis durch Eigenerklärung

 

Grundsätzlich sollte die Eignung genau so nachgewiesen werden, wie es der Auftraggeber in seinen Unterlagen festgelegt hat. Bei kleineren Auftragswerten (ab Inkrafttreten des BVergG 2012 für den gesamten Unterschwellenbereich, also nur national bekannt gemachten Vergaben), muss der Bieter seine Eignung grundsätzlich aber nur durch Abgabe einer sogenannten Eigenerklärung nachweisen können. Mit dieser bestätigt das Unternehmen, dass es die geforderten Kriterien erfüllt. Eine rechtskonforme Eigenerklärung muss zumindest wie folgt aussehen:

Eigenerklärung zum Eignungsnachweis

„Ich, … < Name des Unternehmens >, erkläre, die in der Ausschreibung < Name Auftraggeber, Ausschreibung > festgelegten Eignungskriterien zu erfüllen und die festgelegten Nachweise auf Aufforderung unverzüglich beibringen zu können.
Ich verfüge über folgende Befugnis(se): < Angabe Befugnisse >

 

Aber Achtung: Die „echten“ Nachweise müssen gegebenenfalls auf Aufforderung des Auftraggebers binnen kürzester Frist nachgereicht werden können. Im Oberschwellenbereich (das sind Vergaben, die EU-weit bekannt gemacht werden müssen), ist der Auftraggeber sogar dazu verpflichtet, wenn Sie als Bestbieter ermittelt werden. Im Ergebnis ist es also ratsam, die Nachweise zumindest „abrufbereit“ zu halten.

Mängel beim Eignungsnachweis

 

Wenn Ihnen ein Fehler beim Nachweis der Eignung unterlaufen ist, heißt das nicht zwingend, dass Sie nicht mehr an der Ausschreibung teilnehmen können. Das BVergG regelt nicht nur Pflichten für Auftraggeber sondern auch Rechte für Bieter:

  • Wenn Sie über die geforderte Eignung verfügen und Ihnen „nur“ einen Nachweisfehler unterlaufen ist, können Sie diesen beheben (siehe auch Kapitel I)
  • Der Auftraggeber muss Ihnen vor einem Ausschluss bekannt geben, warum er Sie ausschließen will und …
  • … Ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme bzw. Aufklärung, ggf. auch zur Behebung geben, wenn diese möglich ist
  • Können Sie einen verlangten Nachweis aus einem „berechtigten Grund“ nicht beibringen, geben Sie im Angebot oder der Bewerbungsunterlage den Grund an und versuchen Sie, das Vorliegen der Eignung durch einen anderen geeigneten Nachweis zu belegen

Grundsätzlich ist auch zu beachten, dass der Wegfall der Eignung nach den oben angeführten Zeitpunkten, z.B. durch das Ausscheiden eines Subunternehmers, den man zum Nachweis der Befugnis benötigt, zum Ausscheiden des Bieters führt!

„Im Dschungel der Eignungsnachweise“ – Teil 2

On 28. März 2012, in Angebot erstellen, Vergaberecht, by Mag. Florian Schönthal-Guttmann

Festlegung der Eignung

 

Vorab ist festzuhalten, dass es Vergabeverfahren gibt, in welchen der Auftraggeber überhaupt keine formelle Eignungsprüfung vornimmt. So in der Regel bei der Beauftragung durch eine Direktvergabe oder in Verfahren ohne Bekanntmachung, weil er z.B. Kenntnis vom Bestehen der Eignung und Leistungsfähigkeit hat. Da gibt es dann natürlich auch keine Festlegungen.

In formal geführten Vergabeverfahren ist die Festlegung von Eignungskriterien und deren Nachweis die Regel. Der Auftraggeber hat dabei zwar einen relativ großen Spielraum. Dies aber nur in gewissen Grenzen:

  • Gemeinsam ist allen Kriterien, dass sie zwar einen Bezug zum Auftrag haben dürfen (sonst könnte man z.B. keine auftragsbezogenen Referenzen einfordern), sich aber ansonsten primär auf das Unternehmen und seine Performance beziehen müssen und nicht auf qualitative oder wirtschaftliche Aspekte der Abwicklung der Leistung (z.B. Einforderung und Beurteilung von Listenpreisen). Das wird dann im Rahmen der Angebotsbewertung gemacht.
  • Darüber hinaus darf die Eignung nur insoweit eingefordert werden, als dies durch den konkreten Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist. Das ist natürlich nicht immer leicht festzumachen. Aber eine nicht gerechtfertigte, überzogene Festlegung von Eignungskriterien kann rechtswidrig sein! Bei der Festlegung des nachzuweisenden Jahresumsatzes im Rahmen eines Bauauftrags kann ein Auftraggeber z.B. das 3 – 5fache des Auftragswertes verlangen.
  • Außerdem müssen Eignungskriterien als K.O. – Kriterien grundsätzlich  messbar definiert sein und konkrete Anforderungen und Grenzen aufweisen (z.B. Mindestumsatzzahl, Anzahl der nachzuweisenden Referenzen usw.). Eine „Referenzliste“ ist kein messbares Kriterium, sondern eben nur eine Liste.

Eine gute erste Übersicht, was Auftraggeber als Eignungsnachweisen einfordern können, bietet das Bundesvergabegesetz selbst. Es führt in den §§70 ff an, welche Kriterien es gibt und wie diese grundsätzlich nachgewiesen werden müssen:

Tabelle II.1: Eignungskategorien
KategoriePrüfbereichMögliche Kriterien / NachweiseAnmerkung
Technische LeistungsfähigkeitTechnische MindestanforderungenReferenzen, Ausbildungsnachweise, technische Ausrüstung etc.Zum Teil nach Leistungskategorie (Bau, Lieferung, Dienstleistung) unterschiedlich
Finanzielle & wirtschaftliche LeistungsfähigkeitWirtschaftliche MindestanforderungenUmsatz, Bonitätsauskunft, Berufshaftpflichtversicherung etc.
BefugnisBerechtigung zur GewerbeausübungIn der Regel Auszug aus dem GewerberegisterBeachten Sie insbesondere die Bestimmungen der GewO zur Ausübung von Nebenrechten!
Zuverlässigkeit(Nicht)vorliegen von AusschlussgründenKontoauszuges Sozialversicherungsanstalt, letztgültige Rückstandsbescheinigung gemäß § 229a Bundesabgabenordnung (BAO)Der Auftraggeber darf keine Ausschlussgründe festlegen, die über die gesetzlich angeführten hinausgehen!

 

Zeit & Eignung

 

Das Bundesvergabegesetz bestimmt genau, wann die Eignung im Lauf eines Vergabeverfahrens spätestens vorliegen muss:

Tabelle II.2: Zeitpunkt für das Vorliegen der geforderten Eignung
DirektvergabeVertragsabschluss
Offenes VerfahrenAngebotsöffnung
Nicht offenes Verfahren & VerhandlungsverfahrenAufforderung Angebotsabgabe
ACHTUNG: Änderungen durch BVergG – Novelle 2012:
Werden das nicht offene bzw. der Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung gewählt, muss die Eignung ebenfalls erst zum Zeitpunkt der Angebotsöffnung vorliegen.

Das alles scheint auf den ersten Blick keine große Rolle zu spielen. Aber eben nur auf den  ersten Blick: Die o.a. Tabelle veranschaulicht, wann nach dem BVergG die Eignung spätestens vorliegen muss, nicht wann sie nachzuweisen ist. Das bedeutet:

  1. Dass man aufpassen muss, dass alle vorgelegte Nachweise mit einem Datum versehen sind, das vor diesem Zeitpunkt liegt.
  2. Ein Mangel im Eignungsnachweis behebbar ist, sofern die Eignung tatsächlich schon zum geforderten Zeitpunkt bestanden hat.

Nicht gänzlich klar ist, was es für einen Newcomer, der sein Unternehmen im Jahr 2011 gegründet hat, bedeutet, wenn er im Rahmen einer Ausschreibung im Jahr 2012 Referenzen der letzten drei Jahre nachweisen muss. Viele Ausschreibungen sehen ausdrücklich vor, dass Unternehmer Nachweise nur für den Zeitraum seit ihrer Gründung nachweisen müssen. Findet man keine derartige Passage, heißt es aufpassen: Folgt man Teilen der Judikatur und Literatur, hat der Auftraggeber das Recht, solche Bieter auszuscheiden, da sie ja streng genommen die geforderte Eignung nicht erfüllen. In solchen Fällen sollte man rechtzeitig beim Auftraggeber nachfragen, oder einen Kooperationspartner suchen, der diese Voraussetzung ergänzt. (Mehr dazu in Teil 3 dieser Artikelserie, der in ca. 2 Wochen hier erscheint).

 

Tippkatalog

 

  • Wenn Sie im Vorfeld der Ausschreibung Kontakt mit dem Auftraggeber haben, machen sie ihn als Kleinunternehmer darauf aufmerksam, dass er mit zu hohen Hürden bei den Eignungskriterien den Wettbewerb zu seinem eigenen Nachteil einschränkt und damit regionale und KMU-freundliche Teilnahmen erschwert.
  • Prüfen sie im Zweifel die Zulässigkeit eines konkreten Kriteriums anhand des BVergG [siehe o.a. Tabellen] bzw. Auftragsgegenstandes. Ist das Kriterium unternehmensbezogen? Steht es in Relation zur Größe des Auftrags?
  • Stellen Sie rechtzeitig eine konkrete Anfrage oder regen Sie ggf. eine Berichtigung des betreffenden Eignungskriteriums an. Nicht jedem Auftraggeber ist bewusst, welche Folgen eine rechtswidrige Festlegung haben kann.
  • Beachten Sie, dass Sie insbesondere Kriterien der technischen und finanziellen Leistungsfähigkeit durch die Beiziehung verfügbarer Partner substituieren können – mehr dazu  in Teil III).

„Im Dschungel der Eignungsnachweise“ – Teil 1

On 12. März 2012, in Angebot erstellen, Vergaberecht, by Mag. Florian Schönthal-Guttmann

Der Auftraggeber fordert bei der Ausschreibung eines kleineren Auftrags EUR 500.000,– durchschnittlichen Jahresumsatz. Ja darf er denn das?! Außerdem gibt es meine Firma erst seit 2 Jahren! Und was ist bitte eine Strafregisterbescheinigung? Und wo kriege ich das zeitgerecht her?

Solche und ähnliche Fragen behandeln wir in der 3-teiligen Reihe „Im Dschungel der Eignungsnachweise“.

 

„§19 Abs.1 BVergG: Die Vergabe hat an befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer zu angemessenen Preisen zu erfolgen“

Dieser programmatisch formulierte Satz zieht eine beachtliche Kette an Regelungen und Anforderungen nach sich, die im Folgenden erklärt werden:

 

Systematische Einordnung & Funktion

 

Tabelle 1.1: §§-Verweis: Eignung im BVergG
§§ 68 – 78 BVergG 2006 in der Fassung 2011

Laut Bundesvergabegesetz sind Eignungskriterien die vom Auftraggeber festgelegten, nicht diskriminierenden, auf den Leistungsinhalt abgestimmten Mindestanforderungen an den Bewerber oder Bieter.

Anhand der Eignungskriterien prüft der Auftraggeber, ob ein Bewerber oder Bieter überhaupt die Befugnis, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzt, die zur Abwicklung des Auftrags erforderlich ist. Das kann er nicht nur, dazu ist er – zumindest ab dem Erreichen bestimmter Schwellenwerte verpflichtet. Denn das Vergaberecht legt fest, dass grundsätzlich – und das heißt wirklich in den allermeisten Fällen – nur geeignete Unternehmen mit einem öffentlichen Auftrag bedacht werden dürfen. Und das sind Bewerber, die die festgelegten Eignungskriterien zu 100% im Sinne von JA oder NEIN erfüllen.

Tabelle 1.2: Eignungskriterien Leistungsfähigkeit
Eignungsbereich§ BVergGKann AG andere Nachweise verlangen?
Technische Leistungsfähigkeit§ 75 BVergGNEIN
Finanzielle Leistungsfähigkeit§ 74 BVergGJA

 

Von den Eignungskriterien abzugrenzen sind die „Zuschlagskriterien“. Dies sind – im Gegensatz zu den Unternehmensbezogenen Eignungskriterien, mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängenden Kriterien, nach welchen das technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot ermittelt wird, wie zB Qualität, Preis, technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften.

Tabelle 1.3: Rechtshinweis: 3 Grundsätze zur Abgrenzung von Eignungs- und Zuschlagskriterien
Das Vergaberecht legt Wert auf eine strenge Trennung von Eignungskriterien und Zuschlagskriterien in einer Ausschreibung. Das bedeutet - egal, um welche Verfahrensart es sich auch handeln mag:
1. Auftraggeber dürfen grundsätzlich keine primär leistungs- bzw. produktbezogenen Eignungskriterien (z.B. zu erwartende Qualität der Leistungsumsetzung) sowie umgekehrt …
2. … keine unternehmensbezogenen Zuschlagskriterien (z.B. Qualifikation des Personals) festlegen
3. und Eignungskriterien nicht nochmals als Zuschlagskriterien einsetzen (z.B. „Berufserfahrung Schlüsselpersonal“ - sog. „Doppelverwertungsverbot“).

 

In 2-stufigen Verfahren tauchen auch sog. Auswahlkriterien auf. Sie dienen dazu, die besten Unternehmen auf der 1. Stufe des Verfahrens auszuwählen, die dann in der 2. Stufe zur Angebotslegung eingeladen werden. Sie sind zwar unternehmensbezogen, dienen aber einer Bewertung im Sinne von BESSER / SCHLECHTER als. Der Auftraggeber ist hier sehr frei zu bestimmen, wie und anhand welcher Kriterien er die besten Bewerber auswählen will, etwa durch: die Anzahl von Referenzprojekten, die Erfahrung des Schlüsselpersonals der Anteil des branchenspezifischen Umsatzes usw.

 

In der Ausschreibung

 

In einstufigen Verfahren (z.B. offenes Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung) finden sich die Anforderungen zur Eignung entweder direkt im Bekanntmachungstext oder in der Ausschreibungsunterlage. Je nach Auftragstypus und Kriterium können diese in immer wieder ähnlicher Form auftauchen und standardisiert sein oder aber – v.a. bei der Vergabe von komplexeren Aufträgen oder geistigen Dienstleistungen – sehr spezifisch ausformuliert sein. Man darf sich auch vom äußeren Anschein einer Regelung nicht täuschen lassen – kompliziert Formuliertes kann einfach nachzuweisen ein, eine kurze Passage dagegen viel Aufwand verursachen.

Die u.a recht komplex formulierte Passage zum Nachweis der Berechtigung zur Leistungsausübung kann in der Regel ganz einfach durch den Nachweis eines aktuellen Gewerberegisterauszugs zu erbringen sein:

Anforderung Gewerberegisterauszug

Ganz anders können sich dann schon Regelungen und Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit darstellen, wenn es etwa um Referenzen – hier z.B. im Rahmen einer Informationskampagne – geht:

Referenzen als Eignungsnachweis für Ausschreibungen

Was in diesem Beispiel mit einer Nennung von Muss-Kriterien für Referenzprojekte beginnt, führt im konkreten Fall über eine Textlänge von mehr als 2 A4 Seiten(!). Hier gilt es, die Anforderungen genau zu lesen und umzusetzen.

Manchmal können sich auch recht ungewöhnliche Anforderungen in Eignungskriterien verstecken, so z.B. die Anforderung einer Strafregisterauszugs, oder Fotografien der zu liefernden Erzeugnisse. Aus dem privatwirtschaftlichen Bereich bekannter sind da schon Qualitätssicherungsnormen und Normen für Umweltmanagement oder Qualitätsbescheinigungen für Produkte.