„Im Dschungel der Eignungsnachweise“ – Teil 1

On 12. März 2012, in Angebot erstellen, Vergaberecht, by Mag. Florian Schönthal-Guttmann

Der Auftraggeber fordert bei der Ausschreibung eines kleineren Auftrags EUR 500.000,– durchschnittlichen Jahresumsatz. Ja darf er denn das?! Außerdem gibt es meine Firma erst seit 2 Jahren! Und was ist bitte eine Strafregisterbescheinigung? Und wo kriege ich das zeitgerecht her?

Solche und ähnliche Fragen behandeln wir in der 3-teiligen Reihe „Im Dschungel der Eignungsnachweise“.

 

„§19 Abs.1 BVergG: Die Vergabe hat an befugte, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmer zu angemessenen Preisen zu erfolgen“

Dieser programmatisch formulierte Satz zieht eine beachtliche Kette an Regelungen und Anforderungen nach sich, die im Folgenden erklärt werden:

 

Systematische Einordnung & Funktion

 

Tabelle 1.1: §§-Verweis: Eignung im BVergG
§§ 68 – 78 BVergG 2006 in der Fassung 2011

Laut Bundesvergabegesetz sind Eignungskriterien die vom Auftraggeber festgelegten, nicht diskriminierenden, auf den Leistungsinhalt abgestimmten Mindestanforderungen an den Bewerber oder Bieter.

Anhand der Eignungskriterien prüft der Auftraggeber, ob ein Bewerber oder Bieter überhaupt die Befugnis, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzt, die zur Abwicklung des Auftrags erforderlich ist. Das kann er nicht nur, dazu ist er – zumindest ab dem Erreichen bestimmter Schwellenwerte verpflichtet. Denn das Vergaberecht legt fest, dass grundsätzlich – und das heißt wirklich in den allermeisten Fällen – nur geeignete Unternehmen mit einem öffentlichen Auftrag bedacht werden dürfen. Und das sind Bewerber, die die festgelegten Eignungskriterien zu 100% im Sinne von JA oder NEIN erfüllen.

Tabelle 1.2: Eignungskriterien Leistungsfähigkeit
Eignungsbereich§ BVergGKann AG andere Nachweise verlangen?
Technische Leistungsfähigkeit§ 75 BVergGNEIN
Finanzielle Leistungsfähigkeit§ 74 BVergGJA

 

Von den Eignungskriterien abzugrenzen sind die „Zuschlagskriterien“. Dies sind – im Gegensatz zu den Unternehmensbezogenen Eignungskriterien, mit dem Auftragsgegenstand zusammenhängenden Kriterien, nach welchen das technisch und wirtschaftlich günstigste Angebot ermittelt wird, wie zB Qualität, Preis, technischer Wert, Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften.

Tabelle 1.3: Rechtshinweis: 3 Grundsätze zur Abgrenzung von Eignungs- und Zuschlagskriterien
Das Vergaberecht legt Wert auf eine strenge Trennung von Eignungskriterien und Zuschlagskriterien in einer Ausschreibung. Das bedeutet - egal, um welche Verfahrensart es sich auch handeln mag:
1. Auftraggeber dürfen grundsätzlich keine primär leistungs- bzw. produktbezogenen Eignungskriterien (z.B. zu erwartende Qualität der Leistungsumsetzung) sowie umgekehrt …
2. … keine unternehmensbezogenen Zuschlagskriterien (z.B. Qualifikation des Personals) festlegen
3. und Eignungskriterien nicht nochmals als Zuschlagskriterien einsetzen (z.B. „Berufserfahrung Schlüsselpersonal“ - sog. „Doppelverwertungsverbot“).

 

In 2-stufigen Verfahren tauchen auch sog. Auswahlkriterien auf. Sie dienen dazu, die besten Unternehmen auf der 1. Stufe des Verfahrens auszuwählen, die dann in der 2. Stufe zur Angebotslegung eingeladen werden. Sie sind zwar unternehmensbezogen, dienen aber einer Bewertung im Sinne von BESSER / SCHLECHTER als. Der Auftraggeber ist hier sehr frei zu bestimmen, wie und anhand welcher Kriterien er die besten Bewerber auswählen will, etwa durch: die Anzahl von Referenzprojekten, die Erfahrung des Schlüsselpersonals der Anteil des branchenspezifischen Umsatzes usw.

 

In der Ausschreibung

 

In einstufigen Verfahren (z.B. offenes Verfahren mit vorheriger Bekanntmachung) finden sich die Anforderungen zur Eignung entweder direkt im Bekanntmachungstext oder in der Ausschreibungsunterlage. Je nach Auftragstypus und Kriterium können diese in immer wieder ähnlicher Form auftauchen und standardisiert sein oder aber – v.a. bei der Vergabe von komplexeren Aufträgen oder geistigen Dienstleistungen – sehr spezifisch ausformuliert sein. Man darf sich auch vom äußeren Anschein einer Regelung nicht täuschen lassen – kompliziert Formuliertes kann einfach nachzuweisen ein, eine kurze Passage dagegen viel Aufwand verursachen.

Die u.a recht komplex formulierte Passage zum Nachweis der Berechtigung zur Leistungsausübung kann in der Regel ganz einfach durch den Nachweis eines aktuellen Gewerberegisterauszugs zu erbringen sein:

Anforderung Gewerberegisterauszug

Ganz anders können sich dann schon Regelungen und Nachweis der technischen Leistungsfähigkeit darstellen, wenn es etwa um Referenzen – hier z.B. im Rahmen einer Informationskampagne – geht:

Referenzen als Eignungsnachweis für Ausschreibungen

Was in diesem Beispiel mit einer Nennung von Muss-Kriterien für Referenzprojekte beginnt, führt im konkreten Fall über eine Textlänge von mehr als 2 A4 Seiten(!). Hier gilt es, die Anforderungen genau zu lesen und umzusetzen.

Manchmal können sich auch recht ungewöhnliche Anforderungen in Eignungskriterien verstecken, so z.B. die Anforderung einer Strafregisterauszugs, oder Fotografien der zu liefernden Erzeugnisse. Aus dem privatwirtschaftlichen Bereich bekannter sind da schon Qualitätssicherungsnormen und Normen für Umweltmanagement oder Qualitätsbescheinigungen für Produkte.